Die zu rezensierende Monographie des britischen Historikers Jamie Page basiert auf seiner an der University of St. Andrews eingereichten Promotionsschrift. Im Fokus steht spätmittelalterliche Prostitution im Hinblick auf speziell subjektive Konzepte, die den individuellen Umgang mit dem kulturellen Diskurs zu den Themen Körper, Sexualität und Sünde prägten. Der gewählte Untersuchungszeitraum ist für die Thematik besonders interessant, da innerhalb des Jahrhunderts Prostitution in Form von städtischen Bordellen institutionalisiert wurde und ihre Bedeutung für die Regulation sexuellen Verhaltens zunahm. Nordlingen prostituierte mittelalter diesem Spannungsfeld siedelt sich Pages Forschung im vorliegenden Buch an und leistet damit einen weiteren Beitrag innerhalb des geschichtswissenschaftlichen Diskurses zum Thema Prostitution. Während jenes Gewerbe innerhalb des Spätmittelalters lange im Kontext von Devianz, Armut und Kriminalität 1 oder in seiner oben genannten institutionalisierten Form untersucht worden ist und nordlingen prostituierte mittelalter wird 2thematisiert Page den Einfluss zeitgenössischer gesellschaftlicher Konzepte von Körper, Sexualität und Sünde auf das individuelle Leben und die Selbstsicht von Prostituierten. Damit löst sich der Autor von der Betrachtung der Prostituierten als Kollektiv und knüpft an den Ansatz von Ruth Mazo Karras an, welche erstmalig die Frage nach Identität und Subjektivität von Prostituierten im Mittelalter stellte. Um diese Fragen zu beantworten, stützt er sich — in Ermangelung von Selbstzeugnissen öffentlicher und geheimer Prostituierten des Spätmittelalters — auf drei unveröffentlichte Gerichtsprotokolle aus dem südlichen deutschsprachigen Raum des Heiligen Römischen Reiches Zürich, Augsburg und Nördlingen. Die Auswahl jener juristischen Quellengattung begründet Page in der Möglichkeit, Stimmen längst verstorbener Individuen zu hören, die in anderen Quellen nicht zu Wort kommen, da sie unteren sozialen Schichten oder Randgruppen angehörten. Die umfangreiche Einleitung des Buches enthält einen detaillierten Überblick über die Entwicklung und den aktuellen Stand der Forschung zum Thema Prostitution. Des Weiteren führt er die Problematik juristischer Quellen als Erkenntnismedium eingehend aus; insbesondere Aussagen von Zeugen oder Angeklagten können durch Fragestellungen, Zwang oder persönliche Ziele des Befragten beeinflusst werden. Im zweiten Kapitel steigt Page in die kritische Analyse des ersten Ermittlungsprozesses ein, der in Zürich mit der Auffindung eines toten Babys begann. Hauptverdächtige war eine heimliche Prostituierte namens Repplin, die zum fraglichen Zeitraum schwanger gewesen sein nordlingen prostituierte mittelalter. Eine Selbstaussage der Angeklagten ist nicht erhalten. Mithilfe der Zeugenaussagen von Freiern und Nachbarn über Repplins Selbstdarstellung innerhalb ihres sozialen Umfeldes gelingt es Page jedoch, ihre Selbstsicht zu rekonstruieren. Es zeichnet sich das Bild einer Frau, die offen ihre berufliche Promiskuität lebte sowie ihre Schwangerschaft kommunizierte und trotzdem ein akzeptiertes Mitglied einer sozialen Gemeinschaft war. Trotz der rechtswidrigen Praxis von unehelichem Sex gab es demnach Möglichkeiten für Prostituierte, gesellschaftliche Akzeptanz zu verhandeln und die subjektive Fremdwahrnehmung ihrer Person positiv zu beeinflussen. Diese Beeinflussung hatte jedoch Grenzen. Inhaftiert und angeklagt wurde Repplin schlussendlich aufgrund der Anschuldigung eines einzelnen Freiers, der ihr unterstellte, sich auf illegale Weise des Ungeborenen entledigen zu wollen. Jener Vorwurf, in dem sich das weitverbreitete Stereotyp der unmoralischen Prostituierten spiegelte, machte Repplin zur Hauptverdächtigen. Der Prozess kam jedoch nicht zu einem juristischen Ende, da Repplin in der Haft verstarb. Ausgangspunkt für die Ermittlungen war eine von der Bordellleitung gegen den Willen der schwangeren Prostituierten vorgenommene Abtreibung. Dieser Vorfall überschritt das in der Welt- und Selbstsicht der Nördlinger Prostituierten für ihresgleichen Akzeptable und sorgte dafür, dass sie sich zusammenschlossen und ihr Recht auf obrigkeitlichen Schutz mit Erfolg einklagten: Die Bordellleitung wurde hart bestraft und eine strengere Regelung für den Bordellbetrieb erlassen. Dieses Beispiel verdeutlich, dass es spätmittelalterlichen Prostituierten trotz ihres zweifelhaften gesellschaftlichen Rufes möglich war, als glaubwürdige Klägerinnen und Zeuginnen vor Gericht auf- und für ihre Belange einzutreten. Jedoch gibt Page zu bedenken, dass es im selben Jahrzehnt wieder zu Lockerungen der Reglementierungen kam und es fraglich bleibt, inwiefern jene normativen Änderungen Einfluss auf die tatsächlichen Lebensumstände von Prostituierten in Nördlinger Frauenhäusern hatten. Der dritte und letzte Fall stammt aus der Augsburger Urgichtensammlung und handelt von der am Juni bei ihrer Einreise in die Stadt festgenommenen Gerdrut Birckin. In der ersten Befragung des Diebstahls bezichtigt, unterstellte ihr die Augsburger Obrigkeit in der zweiten Befragung, eine Prostituierte zu sein. Die vorliegende Untersuchung leistet mit ihrer Fragestellung nach Selbstwahrnehmung und Handlungsspielräumen von spätmittelalterlichen Prostituierten einen wichtigen Beitrag zum historischen Diskurs. Infolgedessen erweitert er das Bild mittelalterlicher Prostitution, welches bislang weitestgehend auf normativen Regelungen und gesellschaftlich-obrigkeitlichen Narrativen beruhte, um die Stimmen einzelner Frauen, die in diesem Gewerbe tätig waren. Die letzten Seiten des Buches füllt ein überschaubares Quellen- und Literaturverzeichnis, welches sich neben den Verweisen auf das mittelalterliche Quellenmaterial fast vollständig auf deutsch- sowie englischsprachige Publikationen der letzten drei Jahrzehnte beschränkt. Nichtsdestotrotz stellt die vorliegende historische Mikrostudie eine empfehlenswerte Lektüre für thematisch Interessierte dar. Nordlingen prostituierte mittelalter ist Pages Untersuchung von juristischem Quellenmaterial unter einer subjektorientierten Fragestellung auch auf die Erforschung anderer marginalisierter Gruppen innerhalb der spätmittelalterlichen Gesellschaft anwendbar und bietet damit neue Erkenntnismöglichkeiten in Bezug auf Identität und Individualität von Angehörigen einzelner sozialer Bevölkerungsgruppen des Mittelalters. Anmerkungen: 1 Z. Ursula Irsigler, München ; Gerhard Otto Oexle Hrsg. Dirnen und Frauenhäuser im
Jahrhunderts Prostitution in Form von städtischen Bordellen institutionalisiert wurde und ihre Bedeutung für die Regulation sexuellen Verhaltens zunahm. Im zweiten Kapitel steigt Page in die kritische Analyse des ersten Ermittlungsprozesses ein, der in Zürich mit der Auffindung eines toten Babys begann. Der Verein Mitgliedschaft Spenden Spender:innen H-Soz-Kult Connections Zeitgeschichte Digital docupedia zeitgeschichte Zeitgeschichte-online Zeithistorische Forschungen Projekte Visual History Europäische Geschichte Erster Weltkrieg arthist. Haben Sie einen Fehler im Text gefunden, auf den Sie uns hinweisen wollen? Jetzt kaufen Sie haben bereits ein Digital-Abonnement? Hier rabattiert Digital-Zugang bestellen.
Alles durchsuchen
Sie dokumentieren das Schicksal der aus Eichstätt stammenden Wanderhure Els. Bei dieser Führung geht es um Mord und Totschlag, um Diebstahl, Betrug und Lumpereien aber natürlich auch um Badehäuser und das berühmt-berüchtigte Frauenhaus. Dabei standen Akten aus dem Nördlinger Stadtarchiv im Mittelpunkt. Also. Sie erfahren dabei, was damals Brauch und (Un-) Sitte war, was verboten und erlaubt war, wie gestraft wurde und was die Leute vorher angestellt haben. Im Fokus steht spätmittelalterliche Prostitution im Hinblick auf speziell subjektive Konzepte, die den individuellen Umgang mit dem kulturellen.Helfen Sie uns, besser zu werden. Sie haben weiteres inhaltliches Feedback oder eine Frage an uns? This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders.. Doing Unto Others, New York Zudem ist Pages Untersuchung von juristischem Quellenmaterial unter einer subjektorientierten Fragestellung auch auf die Erforschung anderer marginalisierter Gruppen innerhalb der spätmittelalterlichen Gesellschaft anwendbar und bietet damit neue Erkenntnismöglichkeiten in Bezug auf Identität und Individualität von Angehörigen einzelner sozialer Bevölkerungsgruppen des Mittelalters. Redaktion: hsk. ISSN: Jener Vorwurf, in dem sich das weitverbreitete Stereotyp der unmoralischen Prostituierten spiegelte, machte Repplin zur Hauptverdächtigen. Zwei Pfennige erhielt eine Dirne von einem Freier für Liebesdienste, so viel wie ein Pfund Kalbfleisch kostete. In den Einstellungen Ihres iTunes-Accounts können Sie das Abo jederzeit kündigen. Jedoch gibt Page zu bedenken, dass es im selben Jahrzehnt wieder zu Lockerungen der Reglementierungen kam und es fraglich bleibt, inwiefern jene normativen Änderungen Einfluss auf die tatsächlichen Lebensumstände von Prostituierten in Nördlinger Frauenhäusern hatten. Haben Sie einen Fehler im Text gefunden, auf den Sie uns hinweisen wollen? Es zeichnet sich das Bild einer Frau, die offen ihre berufliche Promiskuität lebte sowie ihre Schwangerschaft kommunizierte und trotzdem ein akzeptiertes Mitglied einer sozialen Gemeinschaft war. DER SPIEGEL als E-Paper und in der App. Dirnen hatten einen festen Platz in der Gesellschaft. Zur Merkliste hinzufügen X. For permissions please contact hsk. Freudenhaus Profanbau Lat: Die zu rezensierende Monographie des britischen Historikers Jamie Page basiert auf seiner an der University of St. Dirnen und Frauenhäuser im Jahrhundert, Frankfurt am Main ; Peter Schuster, Das Frauenhaus und städtische Bordelle in Deutschland — , Paderborn Dazu kamen Kost und Logis für den Frauenwirt. Des Weiteren führt er die Problematik juristischer Quellen als Erkenntnismedium eingehend aus; insbesondere Aussagen von Zeugen oder Angeklagten können durch Fragestellungen, Zwang oder persönliche Ziele des Befragten beeinflusst werden. Hauptverdächtige war eine heimliche Prostituierte namens Repplin, die zum fraglichen Zeitraum schwanger gewesen sein soll. Jahrhunderts Prostitution in Form von städtischen Bordellen institutionalisiert wurde und ihre Bedeutung für die Regulation sexuellen Verhaltens zunahm.